Montag, 24. Oktober 2022

Monetenkoller

 

Vor kurzem legt mich mein Vierbeiner flach. Entsetzt schreie ich den Hund an: „Du blöde Schnepfe.“ Ich mag meinen Hund von Herzen. Sie reißt mich vom Sofa. Ansonsten interessiert sie kaum meine unfreiwillige Hingabe mit dem Asphalt. Meine Uhr fungiert derweil als Polster für meine oberen Brustrippen. Leise stöhne ich bei jedem Einatmen. Mein Zweibeiner ignoriert meine abwesende Haltung. Das habe ich davon. Seit ich meiner hormonellen Stimmung folge, bin ich schon das dritte Mal umgezogen. Das Gefühl von einem Zweibeiner flachgelegt zu werden, ist ein völlig anderes, als auf gerader Linie Mutter Erde zu küssen. Bestimmt ist es eine Strafe, weil ich soviel Geld ausgebe. Der letzte Umzug bleibt eine Baustelle. Die Kosten triumphieren über den leeren Geldbeutel. Das Treppenhaus sieht kahl aus ohne Tapeten. Im Flur hängen lose Kabel aus der Decke. Weiß der Himmel, woran das liegt. „Moneten fehlen!“, ist der einstimmige Tenor. Tja, der Umzug bringt auch Nachteile mit sich. Ohne Arbeit wird sich die Renovierung weiter hinauszögern.
Dabei hat das neue Domizil tatsächlich auch Vorzüge. Eine Dichterstadt und im Rathaus sitzt eine streitbare Persönlichkeit, die ordentlich austeilt. In der Zeitung finde ich jede Menge zu dem Bürgermeister. Er ist gut vernetzt. Ich werde ihm schreiben. Vielleicht hat er eine Stelle im Rathaus für mich. Seine Antwort haut mich um. Er sei kein Vermittlungsbüro für Arbeit. Das hätte ich ihm auch vorher sagen können. Aus meinem Lagerkoller wird ein Monetenkoller.

Dabei hat die Stadt allerlei Angebote. Prahlende Einkaufsläden mit riesigen Flächen Gemüse, Nudeln & Fertigmahlzeiten. Frohlockt Aldi, Edeka, Kaufland und Rewe um die Gunst der Käufer. Als ich zum ersten Mal einkaufe, liegt Edeka auf meinem Weg. Schnell wird mir klar. Das Gemüse sieht zwar gut aus, aber macht mich überhaupt nicht an. Für einen Parkplatz kurve ich eine extra Runde, bis einer frei wird. Beim Eintreten steigt mir ein furchtbarer Geruch von den Rolltreppen entgegen. Sobald ich am Blumengeschäft vorbei bin, döst mich der asiatische Maniküre Salon an. Ach, ja, ein Termin würde mir guttun nach der Schlepperei von Kisten, Stühlen und Elektronikgeräten.

Schon beim Eintritt ist klar. Der Jüngling wird mir die Fußnägel nicht umsonst verschönern. In dem übergroßen Sessel versinke ich wie eine Diva. Nirgends ein Hinweis, was die Dienstleistung kostet. Die Kollegin knipst den Massagesessel an. Motorische Geräusche drücken mich vom Po bis in den Nacken. Dabei fließt Wasser in ein Becken vor mir. Schaum bauscht weiße Flocken auf. Jetzt etwas lesen, überlege ich. Aber dazu kommt es gar nicht. Die elektrische Massage lenkt mich ab. Außerdem sind meine Füße kaum gebadet, geht es mit einer frischen Rasierklinge an meine Hornhaut. „Oje“, schreie ich. Er schaut mich an, verzieht keine Miene. Innerlich brodeln meine Gefühle. Ist es Wut? Nein. Warum soll ich auf den Jüngling böse sein. Noch sind alle Zehen dran. Die Hornhaut wird in Scheiben herunter gezogen. Einige Male will mein Fuß flüchten. Ich bin nämlich kitzelig. Meine Akupunkturpunkte werden geknetet. Nicht attackiert. Obwohl es sich anfühlt, als sei ich auf einer Schlachtbank. Das scharfe Messer heizt mir ein. Könnte ich einfach gehen. Wohl eher entkommen. Ich grapsche nach dem Handy, um mich abzulenken. Der Salon ist Wlan fähig. Endlich freue ich mich. Erleichtert fluppen die Buchstaben in meine Minitastatur. Ein aus China angebotenes Pflaster will Hornhaut den Garaus machen. Hätte ich mal besser auch das Kleingedruckte gelesen. Mein Konto wird belastet. Für einen kurzen Moment könnte mir der Jüngling eine Auszeit geben. Stattdessen legt er mit einem Bohrer nach und raut meine Fußnägel auf. Einige Male zuckt nicht nur meine Haut, sondern auch mein innerer Zensor, der mit mir schimpft, weil ich ständig Geldausgeben will. Schmerzen mag ich auch nicht. Ob ich aus der Steinzeit komme? Völlig daneben bin ich ja nicht. Ich esse Müsli.

Als ich zuhause ankomme, empfängt mich meine Tochter: „Mama, gefällt dir meine Musik, die du mithörst?“
„Ach, ja, so Gitarrenklänge bringen ein wenig Ruhe in meinen Geist.“
„Die Musik App kostet 10 €. Ich bekomme 5 € von dir.“

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