Das ist Oskar. Letzte Woche hat er sich auf leisen Pfoten aus dem Staub gemacht. In dem Moment, als Jochen ihm gerade die Leine anlegen wollte – und die Tür nur einen winzigen Spalt offen stand – zischte er raus wie der Wind. Wie das wohl ausgegangen ist?
Oskar ist immer hungrig. Am liebsten sitzt er unter dem Tisch und wartet, dass ein Leckerbissen von Jochen herunterfällt – ein Stück Brot, am besten etwas mit Käse oder wenigstens der Duft von Wurst dran. Zum Glück ist Oskar ein Hund. Ein Mensch mit seinem Appetit hätte schon längst einen Vertrag mit der Kantine – all you can eat.
Es ist ein herbstlicher Morgen. Die Luft riecht nach nassem Laub, feuchtem Holz und einem Hauch von Kaminrauch, der irgendwo in der Nähe durch die Straßen zieht. Jochen ist mit seinen Gedanken weit weg, schaut versonnen auf den Bodensee, wo sich der Nebel an den Berghängen entlang schmiegt wie ein schüchternes Gespenst. Ob er gerade an Judit denkt, die mutig das Eisbaden entdeckt? Das Wasser dampft leicht – eine Mischung aus Mutprobe und frischer Morgenluft.
Oskar sitzt derweil – wie es sich für einen König gehört – oben auf dem Tisch. Ja, auf dem Tisch. So zeigt man schließlich Präsenz. Der massive Holztisch, schon leicht bemoost, steht direkt am Wasser – ein kleiner Rückzugsort mit Blick auf Wellen und Weite.
Jochen schweigt. Oskar dagegen scheint über sein letztes Abenteuer nachzudenken: eine läufige Hündin. Kein Rufen, kein Bestechungs-Leckerli der Welt hätte ihn damals aufhalten können. Was soll Jochen auch machen? In der Nachbarschaft wohnen drei Hündinnen, und alle sind im gleichen Takt unterwegs. Ein Albtraum für jeden Hundehalter mit einem Zuchtrüden. Und ja, Oskar ist adelig. Reinrassig, gechipt, geimpft – mit einem Stammbaum, der irgendwo zwischen „Von der Couch“ und „Zum Kühlschrank“ beginnt.
Wenn Jochen nicht arbeitet, sitzen die beiden oft stundenlang am Ufer von Meersburg. Der Sand dort fühlt sich fast ein bisschen wie Urlaub an – leicht, im Sommer warm an den Füßen, und in der Luft liegt dieser unverkennbare Duft von Algen, Bootslack und sonnengewärmter Freiheit.
Heute allerdings wirkt Jochen abwesend. Starrt fast stur auf das Wasser. Denkt er an das Abendessen? An Judit? Oder an eine Reise – mit Hund, versteht sich. Oskar hofft jedenfalls, dass er mit darf. Das Leben am See ist einfach zu schön, um es allein zu genießen.
Und ganz ehrlich – auf dem
Tisch ist die Rundumsicht viel besser.
Liebe Grüße und schönes Wochenende
Mike Melonte
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