Sam war sich nicht sicher, ob es ein gutes Zeichen oder das Zeichen einer kommenden Katastrophe war, aber er wusste… vor diesem Urlaub nahm er keine weiteren Aufgaben an. Immerhin steht auch ihm Urlaub zu.
Egal, welche Aufgaben erledigt werden sollen. Heute ist sein letzter Arbeitstag. Jetzt ist Schluß. Jetzt kommen freie Tage.
Entsprechend müde
sitzt er an seinem Schreibtisch. Etwas unwillig grüßt er die
vorbeigehende Kollegin. Was will die denn? Alles nur nicht reden….
Ist sein Gedanke. Den letzten Tropfen aus der grünen Wasserflasche
rutscht eben über seine Zunge. Als ihm plötzlich die Eingebung
kommt. Mallorca kann noch ein Jahr warten. Mit dem Motorrad die Alp
rauf und runter macht auch viel Spaß. Endlich den Kopf freibekommen.
Der nagenden Eingebung entrinnen. Frührente wäre gut. Hätte er
geheiratet, könnte seine Frau arbeiten. Stattdessen ist er Single.
Lebt in drei Zimmern mehr wie in einem Gefängnis. Ein Ort an dem es
keine Sonnenfluchten gibt. Keine Höhenflüge, die einen Kick in der
Magengegend verursachen. Nach dem Geschwindigkeitsrausch auf der
Straße ist er süchtig. Nur hier kann er sein wie er wirklich ist. mit dem Wind im Einklang.
Seine Wohnung ist unter dem Dach. In der Sackgasse stehen nur wenige Häuser. Die meisten Autos fahren aus Versehen in die Straße. Und zu ihm kommt seit Jahren kein Besuch. Würde er nicht immer wieder in der Nacht fahren, würde sein Rennrad nicht demoliert im Keller stehen. Wie aus Geisterhand stürzte er die Böschung im Juni hinab. Eine Abkürzung sollte es werden. Zwei Wochen war er krankgeschrieben. Nachdenklich stellt er die leere Flasche neben seinen Bildschirm. Die Neue ist auf dem Rückweg von der Küche mit einer dampfenden Tasse in der Hand. Er dreht sich weg. Doch die Neugier siegt und er schaut sie flüchtig an. Entsetzen ist in ihren Augen. Ob sie seine schwarzen Augenränder bemerkt?
Ohne einen Abschiedsgruß zieht er seinen Transponderchip über das Zeiterfassunggerät. Einen Moment hält er inne. Schaut auf seine ermittelte Zeit. Irgendwie ist ihm auf einmal überhaupt nicht mehr nach Urlaub. Sein rotes T-Shirt von der Sonne verbleicht, lässt an seinem linken Arm einen weißen Rand erhaschen. Er schenkt der neuen Kollegin ein halbherziges Nicken. Bevor er auf den grauen Fliesen durch die Tür hinaus geht.
Dann vergehen drei Wochen und wer nicht mehr kommt ist Sam. Zurück bleibt die leere Petflasche. Die Kollegen sind kaum entsetzt über die traurige Nachricht. Keine Fassungslosigkeit, keine Tränen. Der Flurfunk entflammt alte Verletzungen. Beliebt war seine weibliche Handschrift. Am Ende hat ihn der Mann des Lebens verlassen. Mitunter müssen gleichgeschlechtliche Partner immer noch mit Diskriminierung umgehen.
Es gibt keinen Moment, wirklich keinen, sich ein absichtliches Ende herbeizuwünschen. Die dunkelsten Minuten werden wieder hell. Gefühle sind veränderbar. Der Kopf kann es zulassen.
Passt auf euch auf!
Liebe Grüße
M. Melonte
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