Montag, 25. April 2022

Geschwätziger Bleistift

 

Seit kurzem dreht er mich ewig durch den Spitzer. Immer wieder brach meine Mine ab. Nach gefühlten Stunden dann endlich das Ergebnis. Als schicker Bleistift mit roten und weißen Ringeln schreibe ich Arien, Tonleiter, Noten und natürlich Buchstaben. Ich stand in dem Schreibwarenladen in einem runden Gefäß an der Kasse und dachte mir: Wann wird mich wohl einer mitnehmen. Die Bleistifte neben mir wurden gekauft. Mich wollte keiner. Immer wieder nahmen mich die Kinder in die Hand. Einige Male fiel ich zu Boden. Dann steckten sie mich zurück in das Gefäß und wählten einen anderen. Na, das war´s dann wohl. Von hier aus wanderst du direkt in den Hausmüll.

Ich hatte ja schon einige Jahre im Wald gestanden. Bevor die Fräsmaschine aus mir eine runde Form drehte. Mir einen kalten Bleikörper durchdrückte. So ein Fremdkörper ist nur zu Anfang unangenehm. Doch dann kam dieser alte Kerl vorbei, er hieß Viktor. Er zelebrierte mich in seinen Händen, als sei ich ein Taktstock. Immer wieder zog er mich in die Länge mit seinen knubbeligen Fingern. Er lies sich ein Stück Papier geben und zeichnete in Sekunden das Gesicht des Verkäufers. Ich erwachte aus meinem Dämmerschlaf. Emsig geleitete ich über das Papier. Ich konnte überhaupt nicht genug bekommen. Ich zeichnete Seitenweise Landschaften, Noten und Aufsätze bis ich stumpf war. Viktor spitze mich wieder an. Gegen die Kinder im Laden war er ein Energiebündel. Vielleicht wirst du noch berühmt, dachte ich mir. Er schreibt ein Buch! Seither darf ich mich nicht mehr äußern. Geistiges Eigentum, du verstehst...

Aha,
Mike Melonte

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