Foto
von Evelyn W. Herbst 2014,
anlässlich des 10 jährigen Bestehens der Bruckmühle |
Zum
ersten Mal werde ich im württembergischen Lagerbuch im Jahr 1424 als
Mülin bey dem Steg erwähnt. Das ist lange her.
Ich
habe zeitweise vier Wasserräder. Heute stehe ich unter der
Kurzbeschreibung T41 (LB) = T14 (LB alt), UK NO 3502, Gebäude Nr.
187 Vaihinger Str. 23 im Mühlenatlas von Baden-Württemberg. Seither
sind unzählige Generationen an mir vorbeigezogen. Welche mit
glücklichen und manche mit bedrückten Gesichtern.
Mein
Herr heißt Berthold Mutinger. Ein freier Mann, der das Mehl malen
konnte, ich sage euch, hervorragend. Musste weder Frondienste leisten
noch Gültabgaben entrichten. Lediglich Grundsteuer den „ewig
unablösbaren Hellerzins“ an Württemberg abgeben. Einige nach ihm
führen mich weiter bis ins Schicksalsjahr 1600 als Müller Sebastian
Kremer eine dunkle Bekanntschaft heim holte. Er verstarb und bald
darauf seine Frau und die sechs Kinder. Zu jener Zeit verstarb jedes
10. Kind an den Folgen der Pocken noch bevor es das 10. Lebensjahr
erreichte. In manchen Gegenden gehören Kinder aus diesem Grund erst
ab diesem Alter richtig zur Familie, weil die Angst der Eltern, Ihr
Kind durch die Pocken zu verlieren entsprechend groß ist. Traurige
Tage mit Tränen und Trauer hängen über mir. Doch dann geht es
schlagartig besser. Wilhelm von Nippenburg bezahlt für mich. Seine
Tochter, die Benedikta heiratet Heinrich von Stockheim um 1611 was
zur Folge hatte, dass sie meine Wände nieder reißen. Ich bin völlig
nackt vom Keller bis zur Bühne. Schlimmer geht’s nimmer, sie
reißen alles nieder. Keine Sanierung, nein, meine bauliche Substanz
wird verändert. Das sind harte Zeiten für mich. Wahrscheinlich
setzen sie mir nun einen neumodischen Kram vor die Nase. Ich, die
Herrschaftsmühle von Schwieberdingen. Stellt euch das einmal vor!
Sie können mich sehen, wie Sie wollen - als Gerät, Maschine oder
Anlage. Meine Aufgabe ist es Grobes in Feines verwandeln. Damit das
Endprodukt fein zerkleinert ist. Daher sind meine
Zerkleinerungsvorrichtungen auch in mehrere Arbeitsschritte
unterteilt. Die Größentrennung wird durch Sieben und Sichten
erreicht. Also Mehl malen ist schon eine anstrengende Tätigkeit. Von
nun an wird mein Grundriss gemessen in 45 Schuh lang, 30 Schuh breit
und zwei Stock hoch. Gebaut in massivem Stein. Eine Menge Menschen
klopfen und hämmern an mir herum, es ist das Jahr 1618. Dieser Lärm
verursachte mir Kopfschmerzen, die bleiben mir unvergessen. Im selben
Jahr beginnt der 30ig jährige Krieg.
Durch
Erbschaftsnachfolge komme ich an die Herren von Wallbrunn. Von
Schulden, erfolgloser Ernte vielleicht Unkenntnis über
wirtschaftliche Vorgänge und wenig helfenden Händen kann ich
berichten. Und wieder findet ein Müllerwechsel statt. Ich bin tief
traurig über diese Vetternwirtschaft. Ständig kommt ein neuer
Müller mit anderen Methoden, der eine singt. Ein anderer ist nur
mürrisch. Mehr noch, ich liebe die Lieder, die von meinen Wänden
hallen. Nach dem Motto: Lasst euch ruhig hier nieder, böse Gemäuer
ertragen keine Lieder. Doch was nutzt mir der feuchtfröhliche Lärm?
Der Besitz wird verkauft und das Datum steht bereits fest. Am
08.03.1774 werde ich angepriesen, wie eine alte Jungfer. „Ich
vermute, dass ich mit diesem Text keinen neuen Besitzer bekomme.“
„Eine
Mahl-Mühlen, die Bruck-Mühlen genannt, mit einem Gerb- und zwei
Mahlgängen an dem Glemsbach, worüber eine große Wohn-Behausung,
Scheuren, Stallungen, auch Gras- und Küchengarten, alles an und
beieinander zwischen dem Glemsbach und den Herrenwiesen, vorne auf
die Allmand, hinten wieder auf die Herrenwisen und Altachen, durchaus
Steuer, Fron und Gült frei.“
„Auf
meinem Mühlengelände ist es derart interessant“, sage ich euch.
Der Glemsbach spült immer mal wieder angereichert durch einen Wolken
behangenen Regentag so hoch das Wasser an, dass alles schwimmt. Für
diese Tage bekomme ich entsetzlich nasse Wände. In diesem
Ausnahmefall schreit der Müller: „Leut kommt, dr Putz wird
abgspült!“ Der Müller rennt dann im Nachthemd mit
hochgekrempelten Armen mit Sandsäcken bepackt um mein Gemäuer
herum. Manchmal war wohl statt der Ehefrau die Magd näher am Müller.
Heimliche Liebe nenne ich das. Ich bilde mir ein, bei mir lässt es
sich gut aushalten. Voller Stolz kann ich berichten, dass das
Hochwasser nicht sehr häufig kommt. Und wieder muss die Mühle
abgeben werden. Bedauerlich für den herzensguten Müller. Doch der
Zufall schickt ihm eine Hebamme des Glücks und der Müller Martin
Hofmann kauft die Mühle für 6400 Gulden. Nach dem
Mittelalter-Rechner wären demnach 1 Goldgulden gleich 61,3 €
Silberwert. Was einen Betrag von 342.320 € ausmachen würde. So bin
ich weiterhin eine Mühle mit abwechselnden Müllern bis mich die
Familie Röhm um 1852 kauft. Ein jähes Ende wegen wieder einmal
schlechter Finanzlage bringt mich in einen unzumutbaren Zustand. Halb
verwahrlost verweile ich in einem tristen Dasein. So ein schwäbischer
Bürgermeister, ich glaub er heißt Schultes Spiegel oder ähnlich
hat ein Einsehen und saniert mich noch einmal gründlich. Ich darf
meine restlichen Jahre in Ruhe mit vielen Ratsuchenden verbringen.
Da kommen Menschen und Singen wieder Lieder. Aber auch die Fleißigen
sind dabei, dann basteln, malen, häkeln, stricken und nähen sie bei
lustigen Gesprächen, erzählen sich Witze und trinken etwas dabei.
So recht verstehe ich nicht warum sie meinen Boden massieren. Mit
Musik bewegen sie sich galant über den Boden, und werfen sich
gegenseitig entspannte Blicke zu. Manche treten auf meinem Boden, als
sei es schrecklich kalt. Vermutlich streikt dann meine innere
Heizung. Immerhin bin ich über 400 Jahre alt. Seit die Müller mich
nicht mehr wollen, bekomme ich derart viel Besuch, dass es mir
überhaupt nicht langweilig wird. Seither nennen sie mich unter den
Eingeschworenen und als Geheimtipp – Treffpunkt Bruckmühle.
Literaturnachweis:
-
Schwieberdingen, Rundgang durch den alten Ortskern, Heimat- und Kulturkreis Schwieberdingen Gruppe e.V. 1995
-
Schwieberdingen -Bausteine zur Ortsgeschichte- Heimat- und Kulturkreis Schwieberdingen Gruppe e.V. 1995
-
Die Mühlen im Landkreis Ludwigsburg von Thomas Schulz, Band 3
-
"Oberamtsbeschreibung Ludwigsburg",Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Staatsarchiv Ludwigsburg, Lesesaal
Arsenalplatz 3 - 71638 Ludwigsburg
Eine Feier für die Bruckmühle ist ausgefallen. Mein Text (fast) überflüssig.
Für alle die Arbeiten und keinen Urlaub haben, einen guten Wochenstart. Die Urlauber entspannen und ruhen sich aus....
Herzliche Grüße
Lilli
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen