Montag, 25. Mai 2015

Treffpunkt Bruckmühle

Foto von Evelyn W. Herbst 2014,
anlässlich des 10 jährigen Bestehens der Bruckmühle
 
Zum ersten Mal werde ich im württembergischen Lagerbuch im Jahr 1424 als Mülin bey dem Steg erwähnt. Das ist lange her.
Ich habe zeitweise vier Wasserräder. Heute stehe ich unter der Kurzbeschreibung T41 (LB) = T14 (LB alt), UK NO 3502, Gebäude Nr. 187 Vaihinger Str. 23 im Mühlenatlas von Baden-Württemberg. Seither sind unzählige Generationen an mir vorbeigezogen. Welche mit glücklichen und manche mit bedrückten Gesichtern.
Mein Herr heißt Berthold Mutinger. Ein freier Mann, der das Mehl malen konnte, ich sage euch, hervorragend. Musste weder Frondienste leisten noch Gültabgaben entrichten. Lediglich Grundsteuer den „ewig unablösbaren Hellerzins“ an Württemberg abgeben. Einige nach ihm führen mich weiter bis ins Schicksalsjahr 1600 als Müller Sebastian Kremer eine dunkle Bekanntschaft heim holte. Er verstarb und bald darauf seine Frau und die sechs Kinder. Zu jener Zeit verstarb jedes 10. Kind an den Folgen der Pocken noch bevor es das 10. Lebensjahr erreichte. In manchen Gegenden gehören Kinder aus diesem Grund erst ab diesem Alter richtig zur Familie, weil die Angst der Eltern, Ihr Kind durch die Pocken zu verlieren entsprechend groß ist. Traurige Tage mit Tränen und Trauer hängen über mir. Doch dann geht es schlagartig besser. Wilhelm von Nippenburg bezahlt für mich. Seine Tochter, die Benedikta heiratet Heinrich von Stockheim um 1611 was zur Folge hatte, dass sie meine Wände nieder reißen. Ich bin völlig nackt vom Keller bis zur Bühne. Schlimmer geht’s nimmer, sie reißen alles nieder. Keine Sanierung, nein, meine bauliche Substanz wird verändert. Das sind harte Zeiten für mich. Wahrscheinlich setzen sie mir nun einen neumodischen Kram vor die Nase. Ich, die Herrschaftsmühle von Schwieberdingen. Stellt euch das einmal vor! Sie können mich sehen, wie Sie wollen - als Gerät, Maschine oder Anlage. Meine Aufgabe ist es Grobes in Feines verwandeln. Damit das Endprodukt fein zerkleinert ist. Daher sind meine Zerkleinerungsvorrichtungen auch in mehrere Arbeitsschritte unterteilt. Die Größentrennung wird durch Sieben und Sichten erreicht. Also Mehl malen ist schon eine anstrengende Tätigkeit. Von nun an wird mein Grundriss gemessen in 45 Schuh lang, 30 Schuh breit und zwei Stock hoch. Gebaut in massivem Stein. Eine Menge Menschen klopfen und hämmern an mir herum, es ist das Jahr 1618. Dieser Lärm verursachte mir Kopfschmerzen, die bleiben mir unvergessen. Im selben Jahr beginnt der 30ig jährige Krieg.
Durch Erbschaftsnachfolge komme ich an die Herren von Wallbrunn. Von Schulden, erfolgloser Ernte vielleicht Unkenntnis über wirtschaftliche Vorgänge und wenig helfenden Händen kann ich berichten. Und wieder findet ein Müllerwechsel statt. Ich bin tief traurig über diese Vetternwirtschaft. Ständig kommt ein neuer Müller mit anderen Methoden, der eine singt. Ein anderer ist nur mürrisch. Mehr noch, ich liebe die Lieder, die von meinen Wänden hallen. Nach dem Motto: Lasst euch ruhig hier nieder, böse Gemäuer ertragen keine Lieder. Doch was nutzt mir der feuchtfröhliche Lärm? Der Besitz wird verkauft und das Datum steht bereits fest. Am 08.03.1774 werde ich angepriesen, wie eine alte Jungfer. „Ich vermute, dass ich mit diesem Text keinen neuen Besitzer bekomme.“
Eine Mahl-Mühlen, die Bruck-Mühlen genannt, mit einem Gerb- und zwei Mahlgängen an dem Glemsbach, worüber eine große Wohn-Behausung, Scheuren, Stallungen, auch Gras- und Küchengarten, alles an und beieinander zwischen dem Glemsbach und den Herrenwiesen, vorne auf die Allmand, hinten wieder auf die Herrenwisen und Altachen, durchaus Steuer, Fron und Gült frei.“
Auf meinem Mühlengelände ist es derart interessant“, sage ich euch. Der Glemsbach spült immer mal wieder angereichert durch einen Wolken behangenen Regentag so hoch das Wasser an, dass alles schwimmt. Für diese Tage bekomme ich entsetzlich nasse Wände. In diesem Ausnahmefall schreit der Müller: „Leut kommt, dr Putz wird abgspült!“ Der Müller rennt dann im Nachthemd mit hochgekrempelten Armen mit Sandsäcken bepackt um mein Gemäuer herum. Manchmal war wohl statt der Ehefrau die Magd näher am Müller. Heimliche Liebe nenne ich das. Ich bilde mir ein, bei mir lässt es sich gut aushalten. Voller Stolz kann ich berichten, dass das Hochwasser nicht sehr häufig kommt. Und wieder muss die Mühle abgeben werden. Bedauerlich für den herzensguten Müller. Doch der Zufall schickt ihm eine Hebamme des Glücks und der Müller Martin Hofmann kauft die Mühle für 6400 Gulden. Nach dem Mittelalter-Rechner wären demnach 1 Goldgulden gleich 61,3 € Silberwert. Was einen Betrag von 342.320 € ausmachen würde. So bin ich weiterhin eine Mühle mit abwechselnden Müllern bis mich die Familie Röhm um 1852 kauft. Ein jähes Ende wegen wieder einmal schlechter Finanzlage bringt mich in einen unzumutbaren Zustand. Halb verwahrlost verweile ich in einem tristen Dasein. So ein schwäbischer Bürgermeister, ich glaub er heißt Schultes Spiegel oder ähnlich hat ein Einsehen und saniert mich noch einmal gründlich. Ich darf meine restlichen Jahre in Ruhe mit vielen Ratsuchenden verbringen. Da kommen Menschen und Singen wieder Lieder. Aber auch die Fleißigen sind dabei, dann basteln, malen, häkeln, stricken und nähen sie bei lustigen Gesprächen, erzählen sich Witze und trinken etwas dabei. So recht verstehe ich nicht warum sie meinen Boden massieren. Mit Musik bewegen sie sich galant über den Boden, und werfen sich gegenseitig entspannte Blicke zu. Manche treten auf meinem Boden, als sei es schrecklich kalt. Vermutlich streikt dann meine innere Heizung. Immerhin bin ich über 400 Jahre alt. Seit die Müller mich nicht mehr wollen, bekomme ich derart viel Besuch, dass es mir überhaupt nicht langweilig wird. Seither nennen sie mich unter den Eingeschworenen und als Geheimtipp – Treffpunkt Bruckmühle. 
 
Literaturnachweis:
  • Schwieberdingen, Rundgang durch den alten Ortskern, Heimat- und Kulturkreis Schwieberdingen Gruppe e.V. 1995
  • Schwieberdingen -Bausteine zur Ortsgeschichte- Heimat- und Kulturkreis Schwieberdingen Gruppe e.V. 1995
  • Die Mühlen im Landkreis Ludwigsburg von Thomas Schulz, Band 3
  • "Oberamtsbeschreibung Ludwigsburg",Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Staatsarchiv Ludwigsburg, Lesesaal
    Arsenalplatz 3 - 71638 Ludwigsburg 


    Eine Feier für die Bruckmühle ist ausgefallen. Mein Text (fast) überflüssig.  

    Für alle die Arbeiten und keinen Urlaub haben, einen guten Wochenstart. Die Urlauber entspannen und ruhen sich aus....
    Herzliche Grüße
    Lilli 

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