Schwieberdingen wacht auf... |
Vereinzelt stehen
die Sterne am Himmel. Noch ist es dunkel, jedoch mit jeder Minute
wird es heller am Firmament. Ein frühlingshafter Duft liegt in der
Luft. Es wird ein schöner Tag. Ich freue mich auf eine Tasse Tee und
die Zeitung. Der Briefkasten ist leer. Bislang war der
Zeitungsausträger pünktlich. Bei Schnee und Eis verspätete sie
sich schon manchmal. Heute werde ich auf die Nachrichten, das
Horoskop und den Cartoon verzichten müssen. Was den Austräger wohl
animiert, an einem so schönen Morgen die Arbeit zu verweigern? Ich
blicke auf den aufklarenden Horizont, der stückchenweise blaue
Streifen und einen feuerroten Ball wie das Rot einer aufgeschnittenen
Melone in den Himmel schiebt. Allein der Gedanke an die süße
Frucht, lässt Erinnerungen aus dem Urlaub erwachen. Zu gern würde
ich mal wieder richtig Urlaub genießen. Ein Gefühl der tiefen
Verbundenheit mit dem Glanz des erwachenden Sterns mit dem wärmenden
Einsatz erfüllt mich mit Erfurcht. Wieviel Tausend Jahre gibt es die
Sonne schon? Der Frühstückstisch lockt mich in die Wohnung, denn
die Sonne interessiert sich nicht für mich.
Ein Klick im
Internet erlaube ich mir, während das Teewasser seine Zeit braucht,
bis es heiß ist. Den kurzen Moment am Morgen will ich mir einen
Überblick von meinem Umfeld erhaschen. Politik ist interessant, doch
etwas mulmig ist mir schon bei den Schauplätzen der
Auseinandersetzungen, Krieg und Nervenkitzel. Über allem schwebt der
Journalist und gibt eine ungeschönte Weltsicht wieder. Im Moment bin
ich entrüstet. Warum fehlt mir dieses „Wurstblättchen“? Bin ich
gar zeitungshörig. Oder nur Buchstaben versessen? Zu Hause laß mein
Vater die Zeitung zuerst. Ich durfte sie nicht vorher einsehen, das
gab Ärger. Mein Vater vesperte neben seinem schwarzen Kaffee ein mit
Leberwurst belegtes Brötchen, als Willi Brand noch Bundeskanzler
war. In jener Zeit erwachte meine Zuneigung zum Zeitungslesen. Ich
fand es fantastisch alle Seiten zu überfliegen, danach mich dem
Spannenden zu widmen und mit der Schere schnitt ich Wichtiges heraus.
Mein Mann ließt ebenfalls, doch wir arrangieren uns mit dem vorderen
und hinteren Teil. Er politisch affin, will gern über die
Grenzverletzungen informiert werden. Die Lebensmittelangebote,
Highlights vor Ort und Öffnungszeiten erleichtern meinen rotierenden
Wochenablauf. Angebote verhelfen mir, meine Einkäufe wirtschaftlich
zu planen. Moralisch verwerflich finde ich diese Vorgehensweise
nicht, trotz der Anmerkung meiner Familie: „Wann essen wir das?“
Meine Zeitung holt mich ab, und weiß was mir fehlt. So viel
Zuwendung ist doch hervorragend. Seiten Papier voll gedruckt mit
überwiegend zusammengewürfelten Buchstaben löst plötzlich einen
Verlust in mir aus. Ein tägliches Ritual fehlt. Schade, dass die
fliegende Zeitung gerade im Entwicklungsprozess steht. Von autonomen
Buchstaben habe ich noch nie etwas gehört. Wo der Austräger heute
war? Hatte er Urlaub und die Vertretung hat mich vergessen? Bestimmt
ist der Austräger krank. Eifersüchtig auf ihn bin ich, weil er
Unmengen an Zeitungen hortet und ich habe nicht einmal eine Einzige!
In Ordnung, dann lese ich eben erst heute Abend, überlege ich. Die
Zuneigung zu meiner Tagesausgabe habe ich schon so lange. Was ist am
Lesen so einzigartig? Im Grunde sitze ich beim Frühstück. Keiner
stört mich. Ein paar Minuten Ruhe, ein inneres Sammeln bevor der Tag
Aufgaben, Hektik und neue Wege aufzeichnet. Egoistische Minuten; ein
Startrecht täglich sollte jeder bekommen.
Vor allem hege ich
zu meiner Zeitung einen inneren Dialog. So als wisse der Redakteur
genau was ich wissen will. Meine innere Batterie wird aufgeladen. Das
Lesen meiner Tagespresse gibt mir einen Anker. Ich fühle mich
glücklich, zufrieden mit einer Zeitung in der Hand. Ich mag diesen
unbekannten Redakteur, der meine Neugier befriedigt. Ist das Liebe?
Ein schönes Wochenende
herzlichst Lilli
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen