Mittwoch, 11. September 2019

Fabel: Charlie's Berufung

Jeden Tag ist Charlie frühmorgens unterwegs. Verführerisch riecht die Spur, die er verfolgt. Er streift über taufrische Wiesen. Zieht um die Bäume. Atemlos jagt er, bis sein Fell mit Tau aufgesogen ist. Atem steigt aus seiner Nase.

Eines Tages begegnet ihm eine Schlange, die durch das Gras kriecht. Sie zischelt mit der Zunge, als wollte sie sprechen.
Er bleibt stehen und grüßt sie.
Leise flüstert sie: Ich bin Waltraut.
Woher kommst du?“, fragt Charlie.
„Ich bin aus den Bergen. Siehst du die Steigung?“
Was soll ich dort? Dort sind keine Hasen, die ich jagen kann. Die Ziegen beißen mich in den Hintern. Überhaupt wird die Luft da oben beschwerlich. Hier unten auf der Wiese gefällt es mir viel besser.“, sagt er.
Du wirst gebraucht, Charlie! Der Natur fehlt ein Hüter, der auf die Tiere acht gibt.“
Das ist mir zu langweilig. Was soll ich mich um alle kümmern. Ich bin nicht der Richtige.“, meint er und läuft weiter.

Als er im Gras verschwindet, lauscht er seinem Gewissen, wie besorgt die Schlange doch war. Bei seinen morgendlichen Runden könnte er nach dem Rechten schauen. Nur die verbindliche Art stört ihn. Was ist, wenn die Tiere alle seine Hilfe bräuchten. Er könnte nicht mehr in der Sonne liegen. Es bliebe ihm keine Zeit fürs Jagen. Sollte er sich dafür hergeben?

Er rennt zurück zu Waltraut, die gerade eine Maus verdrückt.
„Du stehst auf Mäuse?“, fragt er sie.
Was willst du?“
Ich kann die Aufgabe nicht übernehmen. Mir fehlt eine Ausbildung.“
Du bist ein jämmerliches Zottelvieh! Stehst dir selber im Weg. Statt den Tieren zu helfen, suchst du Ausflüchte.“, zischt Waltraut.
Ich müsste mich sehr bemühen, Waltraut. Sage dem Fuchs, er soll die Arbeit machen. Er kann das besser als ich.
Falls es jedoch eine sichere Methode gibt, die mich zum Betreuungs- und Wiesenhund ausbildet, mir eine regelmäßige Mahlzeit garantiert, könnte ich es mir vielleicht vorstellen.
Solange dein Essen vor dir abhaut, lacht Waltraut, brauchst du noch eine Hilfestellung. Du solltest dich bei der Försterin melden. Sie sucht einen Wachhund.“

Herzliche Grüße und einen entspannten Wochenausklang
Mike Melonte

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