Flatterhaft
mit einer Haube auf dem Kopf wolltest du Eindruck schinden beim
Einzug. Viele Punkte sprachen dagegen. "Schon wieder ein Neuer", sagen
die Menschen. „Es ist wieder Frühling“, meint die Blonde. Meine
Zeit verlebe ich badend durch Zeit und Raum. Zwischen Dominanz
unserer Freundschaft steht die Musik. Herrliche Töne geben meinem
Leben einen Sinn.
In
unserem Heim bist du der Star. Mich mögen sie nicht sonderlich. Zu
normal. „Keine Auffälligkeiten, aber eine schöne Stimme hat er.“
sagt die Blonde. Jeden Morgen erwacht meine Seele mit deinem
Flügelschlag. Erfrischt begrüßen wir die anderen. Schwingen von
Schaukel zu Schaukel. Sehen dem Frühling zu. Können das Gras wachsen
hören. Fühlen, wie die Sonne die Erde wachküsst. Heimlich sind wir dabei, wenn die Rosenknospen aufblühen. Im Garten steht ein
Apfelbaum. In der Luft geigt ein herrlicher Duft. Er kommt von den weißen Blüten. In den
Rabatten rechts davon, wetteifern Blumen in bunten Farben. Stress entsteht bei
anderen. Hier singen die Herzen harmonisch miteinander. Einzig die
Freiheit fehlt mir. Wieder steht die Blonde vor mir und lächelt.
Hinter
Gitterstäben sitze ich und mein Kumpel. Er hat ein orangenes Outfit.
Sieht mächtig übertrieben aus, meiner Meinung. Am liebsten putzen
wir uns. Ich muss immer warten, bis er mit baden fertig ist. Lange
Zeit stritten wir uns, wer auf welcher Schaukel sitzen darf. Nachdem
er stark an Gewicht abnahm, ist es ruhiger zwischen uns geworden.
Das
Essen wird ihm seither auf einem extra Brett serviert. Ich mag meinen
Kumpel. Seit er sich verändert, bekommen wir viel Besuch. Die
Menschensprache verstehe ich nicht gut. Aber ihre Augen glänzen bei
unserem Anblick. Ihre Stimmen sind weich. Häufig bekommen wir eine
Wohnungsrenovierung. Mit eindrücklichen Worten murmelt die Blonde
eine Verschwörung: Alles muss raus, was krank macht.“
Am
nächsten Morgen nehmen sie meinen Kumpel mit. Eine Untersuchung,
denn seit geraumer Zeit ist er sehr ruhig geworden. Isst kaum mehr
was. Seine Krallen sind beidseitig verhornt.
Stunden später kommt er
wieder. Wer weiß, wo er war, die Krallen sind rechts alle
abgefallen. Er sitzt da. Ich beschwichtige ihn. Er sitzt teilnahmslos auf der Stange. Ich halte mich am Außengeländer, den
Gitterstäben fest. Putze seinen Schnabel. Unsere Hahnenkämpfe sind
schon lange vorbei. Ein Leben in Gefangenschaft fordert seinen
Tribut.
Das
frühlingshafte Wetter schickt dunkle Wolken an den Horizont. Jeden
Tag kommt die Blonde, träufelt einige Tropfen in seinen Schnabel.
Die abgebrochenen Zehen schmerzen anscheinend. Er zieht die Kralle in sein
Gefieder. Mein Kumpel kann nicht mehr auf der Stange sitzen. Er
bleibt auf dem Boden liegen. Laut zwitscher ich aus Leibeskräften
nach Hilfe. „Austherapiert“, sagen die Menschen. „Er gibt dem
Leben einen Sinn“, sagen sie. Dann verliert die Blonde Wasser aus
den Augen. Bestimmt will sie baden. Unsere Wanne ist mit kaltem
Wasser gefüllt. Ihr Wasser trifft mich. Es ist ganz warm.
Grüße,
Mike Melonte
Grüße,
Mike Melonte


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