Mittwoch, 7. September 2016

Die Handtasche

Manchmal geht es auch ruhig zu. Ich fühle mich als Elternteil gegenüber meinem Nachwuchs etwas im Nachteil. Mein Kind meint, ich sei schwierig. Besonders morgens fühle ich kaum mehr Ideen. Das Licht im Kinderzimmer knipse ich an und schon geht es los. „Fünf Minuten, Mama.“ Na ja, was sind schon so ein paar läppische Minuten. Reines Zeitverzögern für ein Tauziehen bis die Füße endlich langsam aus dem Bett purzeln. Pupertät eben.

Geht doch, denke ich, als meine Tochter am Kleiderschrank steht und nach der passenden Farbe des Tages sucht. „Du hast noch die Gelegenheit auf eine warme Schokolade.“ „Komme gleich.“, ertönt es aus dem Bad. Glückselig halte auch ich mich an meiner Tasse fest.

Der Alltag hat uns fest im Griff. Frühstücken fällt meist aus. Dann geht es in die Tiefgarage zum Auto und nächsten Termin. Wir sind auf dem Weg nach Markgröningen.Kurz vor Markgröningen am Kreisverkehr ist Stau. Ein LKW bleibt einfach direkt an der Einfahrt stehen. So ein Mist, jetzt ist all meine Vorbereitung dahin. Wieder ein zu spät kommen garantiert. Welche Ausrede soll es dieses Mal geben? Hinter dem Laster stehen weitere zwei Auto´s. Keiner hupt. Ich drücke voller Inbrunst auf die Hupe. Was soll dieser Stau und keiner bewegt sich auch nur einen Millimeter.

https://pixabay.com/de/photos/chihuahua/
Danach rennt ein kleines Wesen in rasantem Tempo vom Kreisverkehr in Richtung  Straße nach Schwieberdingen entlang. Entschlossen öffne ich die Tür und sehe einen Hund, der plötzlich zum Stehen kommt. Zuerst sah es aus wie ein Fuchs. „Vielleicht ein Baby Fuchs.“, sage ich meiner Tochter. In diesem Moment kommt eine schwarze Limousine. Voller Entsetzen stoppe ich den Fahrer mit einem Handzeichen. Er wartet und ich spreche mit dem kleinen Hund.

Was bist du für einer?, reiche meinen ausgestreckten Arme um den haarigen Bauch. Nehme ihn an die Brust und setze den Hund auf die Rücksitzbank. Es ist ein Rüde und sehr zutraulich. Der erste vollständige Satz von meiner Tochter an diesem Tag: „Der ist so klein wie eine Handtasche.“ Danach wurde er nur noch mit „Handtasche“ angesprochen. Nein, es ist ein Chiwawa. Riesige Augen, aufrecht stehende Ohren und eine spitze Nase.
Der Stau löst sich augenblicklich auf als meine Tür wieder schließt. Ich steige ein und starte den Wagen, als ein herzerweichendes Heulen beginnt. Vermutlich ist er traurig, oder hat Durst. Nachdem die Lüftung Kühlung im Auto verteilt, hört das Heulen auf. Der Minikoffer ist also auch noch empfindlich. Mein Hund hat ein ordentliches Stockmaß und reicht mir bis an die Knie. Wiegt ca. 30 Kg und braucht ein Kopfkissen zur Entspannung. Und maulen bin ich überhaupt nicht gewohnt.

Als ich meine Tochter aus dem Auto verabschiede, kommt für mich die nächste Herausforderung. Ein Termin bei einem Rechtsanwalt und die Tasche muss mit. Einen fremden Hund im Auto lassen, verursacht augenblicklich ein heftiges Magengrummeln in mir. Nur habe ich überhaupt keine Leine dabei. Ein Regenschirm zum Umhängen. Genau dieser Bändel reicht, um den Hund in Begleitung dabei zu haben. Er hat Manieren und begleitet mich spontan. Ich fühle merkwürdige Blicke von den Passanten, die mich mit der zweckentfremdeten Leine und Hund beobachten.
In der Kanzlei sitzt der Hund geräuschlos neben mir. Mehr noch, die Sekretärin würde den Chiwawa sofort übernehmen. Einen zweiten Hund könnte ich mir auch vorstellen. Was wohl mein Familie dazu sagen wird? Ohne Herrchen und Frauchen mit ungewissem Ausgang. Dem Tierheim nahe… . 

Ich wünsche allen einen guten Heimweg.

Herzlichst 
Mike Melonte



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