Eingeschlossen
hinter Gitterstäben sitzt er mit weit aufgerissenen Augen. Entfernt
von der Welt. Die Süße des Lebens kann er noch fühlen.
Wo
ist die Natur gefüllt mit Leben und Liebe? Der innere Ruf ist so
viel lauter als die Vernunft. Scheinbar sind die Abenteuer vorbei.
Was hätte er alles erreichen können? Eine Familie gründen! Jetzt
ist alles aus.
Er
singt nicht mehr. Vorbei sind die Augenblicke des Glücks und alles
wegen dieser Sehnsucht. Getrieben von der Kraft, die alles
ermöglicht. Unaufhaltsam die Lockrufe jeden Tag. Von morgens bis
abends ist er aufmerksam gegenüber den anderen, die frei waren. Nur
er nicht. Er sitzt hinter Gittern und wartet.
Bubi, der Barde |
Ich
genieße diese Beziehung. Unsere Verknüpfung zueinander ist
einmalig, fast aus dem Nichts heraus bereitet diese Stimme
stundenlang Vergnügen. Diese Tonlage trägt die Lieder weit hinaus.
Die mit Schwermut unterlegte Melodie spricht eine klare Sprache.
Er
ist nicht glücklich. Was ist schon Glück? Viele Weiber oder ein
voller Magen? An manchen Tagen scheint die Nahrung einen
entscheidenden Einfluss auf seine Stimmung zu haben. Er liebt
Chicoree auf seine Weise, knabbert fast gierig an den Enden. Kurz
entschlossen öffne ich den Käfig, will ihn streicheln, stehe ich
nicht mehr nur davor. Greife in den Käfig und bringe ihn, Bubi und
seine Begleiterin, Lilli untergeschoben in meinem T-Shirt in unseren
„geschlossenen Sprechraum“. In der Familie nennen wir ihn so,
weil dort die Geheimnisse besprochen werden. Dafür hängen wir
jeweils eine Taschenlampe an den Türgriff. Sobald eine wichtige
Unterredung stattfindet, kommt dann niemand mehr hinein.
Kaum
im Raum drängen die zwei mit wildem Gezwitscher und Flügelschlagens
davon. Auf gutes Zureden springt mir Lilli auf den Finger und gleich
wieder weg. Bubi hingegen stellt sein Gefieder auf dem Kopf nach
oben, als ob er einen Krieg vom Zaun bräche. Wie ein Indianer der
seinen Schmuck aus Federn für alle sichtbar stolz trägt, seiner
Autorität Nachdruck verleiht. In der Zwischenzeit putze ich den
Käfig und bringe zuerst Lilli zurück. Kaum ist sie wieder im
gewohnten Umfeld legt Bubi aus voller Kehle los und fleht
herzerweichend nach Lilli. Ja, die zwei mögen sich sehr. Sie, eine
mit orangenen Federn geschmückte Kanariendame und Bubi entstanden,
aus einer Liebesnacht zwischen einem Kanarien und Stiglitz. Sie haben
sich eingerichtet in der Gefangenschaft. Bekommen im Gegenzug
allerlei Leckereien. Gerade will ich Bubi in den Käfig bringen,
fliegt er an der Öffnung vorbei. Setzt sich auf den Schrank und
überblickt das Zimmer. Entsetzen packt mich. Mein schlechtes
Gewissen drückt, wieso meine Putzwut mal wieder mit mir
durchgegangen ist. Aber im nächsten Augenblick beruhige ich mich
wieder. Ein schön geputzter Raum vermittelt mir ein absolutes
Wohlgefühl. Entspannung, Ruhe, eine Art Freiheit ergreift mich. Der
Vogel soll sich nicht so anstellen. Sauberkeit ist eines meiner
Sehnsuchtsorte, an denen ich mich verberge, sobald zuviel Lärm und
Unordnung herrscht. Oder ist es die gesehnte Sucht und den Ort muss
ich suchen? Ist es denn der Ort für meine Vögel? Am Ende ist es für
die kleinen Lebewesen hinter Gitter eine Strafe, abgefüllt mit
Essen, überlege ich. In China wird alles gegessen vom Vogelnest bis
zum Vogel. Ein Schauer läuft mir den Rücken herunter. Essen? Nein.
Bubi
vertreibt mir mit seinem Gesang Wolken, die der Alltag vorbei
schickt. Wo würde ich mich auf dieser Welt hinsehnen? Raus in die
Natur in die Berge mit einem See. An die Küste mit Sandstrand, an dem ich den Tag über relaxe und nichts tue. So empfinde ich den schönsten Ort zu Hause, wenn die singende Belohnung einsetzt für
den geputzten Käfig.
Gestern
durften die beiden in ihrer Voliere in den Garten und standen auf einem
Tisch. Derweil beobachten sie die anderen Vögel. Aus welchem Grund
die Käfigtür aufsprang, vermag ich überhaupt nicht zu erkennen.
Eine Zeitlang standen die zwei im Grünen bis Bubi, der Barde, die
Lust auf Freiheit packte. Er flog an den Ort, an dem er glücklich
werden wird. Vermutlich sein Sehnsuchtsort, der ihm die emotionale
Nähe des Ungestörten zusichert. Es war ein bewegender Moment.
Tränen kullerten mir über die Wangen. Mein „Superstar“
entschied
von links: Lilli und Bubi |
Herzliche Grüße
Lilli
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