Herzlichen Glückwunsch dem Schwieberdinger Sängerbund!
Der
Sängerbund Schwieberdingen 1840 e.V. und die Schwieberdinger Bürger
befinden sich in Feierlaune. Denn sie feiern und singen seit 175
Jahren. Die Gemeinde erfreut, was die Mitglieder singen. Gefeiert
wird heute der Geburtstag, vor allem auch zum Dank an die schönsten
Stunden dieser gemeinschaftlichen Zusammenkunft. Neben Kameradschaft
wünschen sich alle Sänger gemütliches Beisammensein, entspannte
Auftritte und weiterhin die Gunst der Zuhörer. Seit nun 175 Jahren,
fast zwei Jahrhunderten, tragen die Sänger ihre Lieder in die
nächste Generation. Wir Notenblätter können das bestätigen. Das
war nicht immer so. Als das 130-jährige Jubiläum gefeiert wurde,
gab es einen orts- und musikgeschichtlichen Rückblick von Dr. Willi
Müller, Rektor der Volksschule in Schwieberdingen. Er beschreibt
die Umgebung „des Dorfes an der Straße“, geprägt von Menschen,
die seit Jahrhunderten Schwieberdingen bewohnen. Früher die Lage
einer der wichtigsten mitteleuropäischen Verkehrsadern. Heute ein
industrieller Mittelpunkt mit vielen hinzugezogenen Neubürgern. Hier
ist der Sängerbund Schwieberdingen 1840 e.V. ein konstanter Faktor
und beschert noch einen Blick auf historische Besonderheiten. Vor
allem die in den Archiven ruhenden Zeugnisse. Darunter einige
Notenblätter, die sehr gesprächig sind. Allerdings dürfen sie
nichts weitererzählen. Nun kennen Sie unsere Heimat. Verborgen in
Mappen und Kisten. Ein paar Kleinigkeiten dürfen Sie schon wissen.
Viel steht im Protokollbuch. Die Aufzeichnungen beginnen um 1850.
„Auf der Zusammenkunft mit dem Ludwigsburger Turnverein wurde auf
die Freiheit und Eintracht getrunken“. Ein bisschen stolz waren die
alten Notenblätter schon, denn nach einem Jahr üben, mussten die
Schwieberdinger den Vergleich mit Gesangsvereinen aus den Städten
nicht mehr scheuen. Dazu beigetragen hat bestimmt auch die strenge
Regelung nach § 5 früherer Satzung: Wer unentschuldigt fehlte,
konnte ausgeschlossen werden.
Gegründet
wurde der Verein überwiegend von Lehrern in und um Schwieberdingen
herum. Als exklusive Vereinigung konnten sie mittwochs Nachmittag am
gemeinsamen Üben teilnehmen. Den Handwerkern und Landwirten blieb
das Nachsehen. Politik und das Weltgeschehen hält nicht an vor
Schwieberdingen. Im Fadenkreuz mehrere Umbrüche blieben die Einsätze
der Sänger, die protokollarisch nach bestem Wissen Lieder
schmettern. 1852 verlieren die Herren das Interesse am Singen,
vermutlich wegen irgendwelcher Querelen. Bis 1856 nimmt kaum mehr
einer ein Notenblatt in die Hand. Wir Notenblätter trafen uns
heimlich bei Tage hinter verschlossenen Türen und beteten, dass
einer käme, der uns aus der Versenkung herausholen würde. Das ist
lange her.
Initiert
wurde der Verein durch „Lamm“-Wirt Essig anno 1840. Seither
besingt der Chor alle vier Jahreszeiten. Von der romantischen Melodie
bis zum herzlichen und volkstümlichen Gesang. So ein Vereinsabend
ist eine harmonische Angelegenheit. Hätte ein Notenblatt die
Möglichkeit, aus dem Nähkästchen zu plaudern, würde so mancher
Sänger mehr Vertrauen zeigen. Unter uns, der Sängerbund weiß
überhaupt nichts von den aktiven Notenblättern im Archiv. Sie sehen
und treffen auf Tradition und musikalische Raritäten. Sie verstehen,
dass Notenblätter verschwiegen sein müssen, weil wir als
Augenzeugen eben Verantwortung tragen. So manche Aufnahme platzte
fast vor Aufregung, weil einer der Herren teils in bunten Socken,
schlecht rasiert oder unangebrachter Kleidung aufkreuzte. Das gab
einen Unmut bei den Sängern. Besonders zu den Auftritten nach dem
Essen und Trinken, fällt die eine oder andere Tonart aus der Rolle.
Einige Noten, darunter auch welche, die schwer zu singen sind, bieten
ihrem Besitzer gleich zu Beginn der Probe das „Du“ an.
Vorsorglich für den Sänger, der die Noten nur vage kennt und erst
nach und nach die Bedeutung der Töne erfährt. Falls fehlende Töne
dem Sänger den Garaus machen, kann das Notenblatt rasch einwirken
und zu Boden fallen, was die anderen Sänger natürlich gleich
bemerken und hilfreich zur Seite stehen. Singen soll Spaß und
Entspannung nach einem arbeitsreichen Tag bereiten. Disziplin darf
nicht fehlen, aber allzu streng wird der Maßstab nicht angesetzt.
Gefühlvoll schwingt der Dirigent den Taktstock. „Los geht’s“.
Seit
2009
ist Frau Natalie Igbal Chorleiterin. Bevor sie die Herren begrüßt,
ist ein reger Austausch bis zum Beginn der Stunde. Geprobt wird in
der Bergschule im Gemeinschaftsraum. Unter dem Motto: „Lasst uns
noch eine Strophe singen! Und wann sitzen wir wieder gemütlich
beieinander? Bis - also dann bis zum nächsten Mal“ werden die
nächsten Treffen geplant. Seit Jahren lebt der Sängerbund diese
tolerante Kameradschaft. Kaum zu glauben, seit 175 Jahren trifft
Gesang auf Melodien und die Notenblätter halten den Sängern treu
die Stellung. Regelmäßig im Rhythmus einmal pro Woche und zu den
jeweiligen Auftritten.
Mit
dem gemeinschaftlichen Singen kommen sich die Sänger näher und
wachsen an der Herausforderung von unterschiedlichen Ansichten zu den
jährlichen Konzerten. Damals wie heute entstehen Freundschaften und
natürlich ist gegenseitiges Helfen selbstverständlich. Gleich
geblieben ist der einheitliche Sängeranzug und die Lust auf das
Singen. Der Schwieberdinger Sängerbund 1840 e.V. ist eine fest
verankerte kultivierte Zusammenkunft. Seither ohne Unterbrechung
bleibt die gesellige, heiter und lockere Einstellung. Wer singen
will, sollte ein Interesse an Musikalität mitbringen.
Notenkenntnisse und Chorerfahrung sind wünschenswert, doch nicht
Voraussetzung.
Verdient
gemacht hat sich der Schwieberdinger Sängerbund 1840 e. V. bei der
musikalischen Förderung der Jugend. Beispielgebend begünstigt er
kulturelles Leben in Zusammenarbeit mit der Hermann-Butzer-Schule.
Die Chorleiterin des Sängerbundes studierte mit Kindern der HBS
(damals Grund- und Hauptschule) mehrere Kindermusicals ein. Die
Aufführung und der Applaus waren für die Kinder ein besonderes
Erlebnis. Neue Projekte sind in Planung.
2010
wagt der Sängerbund eine neue Richtung. Vorausschauend entsteht ein
zweiter Chor. „Tonträger gesucht! Unser moderner gemischter Chor
sucht Junge und Junggebliebene, sucht dich!“ Eine wichtige
Entscheidung, weil nicht nur Männer gut und gerne singen.
Selbstverständlich sind jüngere Herren willkommen! Frau Iqbal
übernimmt nun auch für den gemischten Chor die Leitung. Seither
singen bei den Tonträgern Frauen und Männer gemeinsam. Bei
Konzerten treten der Männerchor und die Tonträger für einige
Gesangsstücke gemeinsam auf. Notenblätter werden an alle
Interessierten verteilt, Schnupperstunden sind selbstverständlich.
In
der formellen Satzung steht geschrieben, dass der Sängerbund
kulturelle Belange grundsätzlich fördert. Welch eine Chance für
alle, die gerne in der Badewanne singen. Unter uns: „Der gemischte
Chor ist seit Jahren etabliert und trifft sich regelmäßig.
Plötzlich findet eine schüchterne Stimme ein erfahrenes Gehör,
vielleicht Sie, ja Sie!“
Mehrere
Auftritte im Jahr, sogar einer mit der fränzösischen Partnerstadt
Vaux-le-Penil, ergänzen das Repertoire. Einmal im Jahr bebt der
Sängerbund. Hoffen und bangen alle Noten, dass das Wetter mitmacht,
am zweiten Sonntag im November zum ersten Kirbetag. Wenn Sänger und
Bürger froh gelaunt alle im Halbkreis auf dem Vaux-le-Penil Platz
stehen und in den goldenen Herbst singen. Einst war die Veranstaltung
der Kirbe eine Idee für ein familiäres Dorffest. An einem Abend
vorher sitzen die Sänger zusammen und schmücken die Kirbefiguren
wie Martinigans, einem Schwein und dem Kirbemann mit Materialien aus
Blättern, Früchten, Kastanien, Bändern und vielem mehr. Die
selbstverständlich in geselliger Runde in Otto Greiner´s Werkstatt
herausgeputzt werden. Otto Greiner ist auch der Vater des
Kirbemannes. Seit nahezu 70 Jahren ist er aktiv im Sängerbund. Aus
seiner Schmiede kommen umgewandelt von Pappmaché die Figuren, die
Sonntag und Montag ihren Auftritt haben. Sonntags bringen die Träger
das Schwein von der Schmiede auf den Vaux-le-Penil Platz, getragen
von vier starken Männern. Die Gemeindekirbe wird mit Liedern
besungen. Der Sonntag ist der Tag des Handels- und Gewerbevereins.
Aber die meiste Aufmerksameit bekommt der Amtsbüttel. Über das Jahr
recherchiert er zu Themen aus der Gemeinde. Sammelt und trägt die
„Machenschaften“ des Bürgermeisters zusammen. Heraus posaunt
wird alles am Sonntag vor den Augen und Ohren der Schwieberdinger,
die beherzt darüber lachen können.
Anschließend
gibt es Einkaufen für groß und klein. Eine Spielstraße für die
Kinder. Das Angebot ist vielfältig. „Endlich amoale frei“. Bis
zur Handmassage: „Sich ebbes Guates dau“. Danach gehen alle am
verkaufsoffenen Sonntag einkaufen oder auf dem Krämermarkt
flanieren.
Dieses
Fest ist einmalig und dauert demnach Tage. Weil der Sonntag nicht
ausreicht, geht es montags gleich weiter mit der Bauernkirbe. Zum
sogenannten Kirbemeedich mit dem Kirbemann, der mit Peperoni behangen
ist, um zu verdeutlichen, dass Schwieberdingen eine feurige Gemeinde
ist. Der Montag ist der Tag des Sängerbundes. Welcher nach einer
Ansprache vom Vorstand, dem Bürgermeister und dem Amtsbüttel
Hans-Joachim Verch dann mit den Worten eröffnet wird: „Die Kirbe
isch frei!“. Der vom Bürgermeister mitgebrachte Schnaps wird
gemeinschaftlich in kleinen Schlucken von den Sängern vor dem
Rathaus getrunken. Während einige Sänger mit dem Dreschflegel Korn
dreschen. Danach tragen die Sänger die Martinigans und den Kirbemann
in die Turn- und Festhalle. Und wie sollte es anders sein als beim
Essen, Trinken und natürlich Singen. Die Noten dürfen wieder einmal
nur zusehen, wie das Volk sich amüsiert.
Abschließend
ein paar Worte zur Teilnahme zum Singen im Chor. Mittlerweile sind
wir im Computerzeitalter angekommen. Einer kurzlebigen Zeit, die
verantwortlich ist für Stress und Hektik. Hört, hört: Wertvoll zu
wissen, dass mitsingen der Ausgleich zu eintöniger Bildschirmarbeit
ist. Einer Art Stimmgabel für positive Stimmungen und
Lebenszufriedenheit. Zudem erfüllt Singen, macht glücklich, schafft
Verbundenheit und fördert soziale Netzwerke.
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Nachweis:
Dr. Willi Müller: 130 Jahre Sang und Klang im Dorf an der Straße Sängerbund Schwieberdingen
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Heinz Bögeholz, Günter Eckert, Manfred Frank M.A., Reinhard Meier, Hans-Martin Nowak, Helmut Theurer:
150 Jahre Sängerbund damals und heute -
Festschrift Philharmonischer Chor Bonn
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Wikipedia: Zur Geschichte der Männerchöre
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Wolgang Bossinger: Die Heilende Kraft des Singens
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Kirbe in Schwieberdingen
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LKZ, 6.11.14 – Tradion
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LKZ, 11.11.14 – Goldene Krone und Pepperoni
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Interview mit Otto Greiner vom 13.11.14
Herzliche Grüße und ein schönes Wochenende Eure Lilli
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