Mittwoch, 23. Februar 2022

Der Schleier durch die Wohnung

Der Schleier von Kurzgebratenem schwingt durch die Wohnung. Genauso lang wie der Dunst aus der Pfanne steigt, ist die Momentaufnahme der trägen Masse von dem darin bratendem Schnitzel. Ohne Stimmung liegt es einfach in der Pfanne. Kein Laut gibt es von sich. Was ist das nur für ein schlappes Stück Fleisch?, überlege ich. Fast beschwöre ich den Bratensaft, er möge Einsehen mit mir haben. Endlich dem Stückchen, das langsam aber sicher seine Größe schmälert, einen Laut zu entlocken.

Ja, soll ich denn auf Fleisch verzichten. Das Schnitzel in Natur brutzelt vor sich hin. Während ich in der Küche hantiere, fällt wieder Müll an. Selbstverständlich trenne ich nach dem mir angeordneten Prinzip. Gelbe Tonne, Papier und Restmüll. Neuerdings türmt sich der Restmüll. Die stattliche Größe steigt als kleiner Hügel über den Eimer. Weil ich in die kalten Jahreszeit nicht zum Container will, stopfe ich schon den ganzen Tag alles mögliche, mit Nachdruck, hinein. Natürlich schimpfe ich vor mich hin über die Beschaffung von einem größeren Behälter. Könnte ich den Müllberg verkleinern?

Mein Jammern und Klagen nehme ich mit in den Keller. Dort rotten sich die Sätze in bleibender Erinnerung zusammen, denn dort steht mein PC. Weit weg von der Geruchsverbreitung. Mir schwant nach ein paar Zeilen, der Müll könnte unter Bedrängnis stehen. Wie kann ich es wagen, mich völlig gleichgültig gegenüber recycelbaren Materialien zu verhalten?, spricht die Umweltaktivistin in mir. Was soll ich machen, wenn meine Hofetikette im Hintern sitzt? Vor lauter Aussitzen der Buchstaben muss der Eimer mit seinen Innereien warten. Das schlechte Gewissen treibt mich nach einer gefühlten Ewigkeit wieder in die Küche. Nach mühsamen Ringen um den Müll, bewege ich mich in die feindliche Außenwelt und stelle verdutzt fest, es ist gar nicht mehr so windig. 

Gleich purzeln Sätze vor meinem geistigen Auge auf ein Stück Papier. Eine stille Ahnung von schwingenden Buchstaben in Form einer Mail ereilt mich. Habe ich eben einen „Glongton“ gehört. Freilich kann der Mülleimer nichts dafür, dass er überquillt. Aber das meine zwei Hunde die Innereien als Spielzeuge herausziehen durch die Wohnung verteilen und laut bellen, ist mir zuviel. Auch meine Haarspangen auf dem Fensterbrett im Schlafzimmer sind nicht mehr sicher. Ein Sprung von Bobbel auf das Bett und jäh, ran an das Knapperzeug. Die Einzelteile piken derweil nachts beim Umdrehen. Das Frühjahr naht. Ich bin zuversichtlich. Bald ist es nicht mehr kalt.

Windige Grüße,
Mike Melonte 

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