Mittwoch, 5. November 2014

Laut

Der frühe Morgen zeigt kein Erbarmen. Tut, Tut, Tut…, der Radiowecker läutet zum Aufstehen. Wieso fällt mir Aufstehen morgens so schwer? Während meine Träume noch schnell eine letzte Information zuflüstern, wird aus dem leisen tuten eine dauerhafte Ermahnung meinen Körper endlich in Sitzposition zu bringen.
Mühsam schiebe ich meine Füße aus dem Bett und schreie vor Schreck laut auf. Der Hund liegt davor. Sonst kommt er nie auf meine Seite. Durch den Schwung meiner Beine sitze ich auf der Bettkante. Und trete den Hund, der nun kläfft. „Riele, du sollst den Hund nicht umbringen, er wartet auf dich zum Gassi gehen!“, höre ich genervt meinen Mann. Mit ein paar Streicheleinheiten kann ich den Tritt nicht wieder gutmachen (überlege nun extra Minuten Ball werfen, Leckerli??). Das Licht im Schlafzimmer ist atemberaubend hell. Der Wecker meckert immer noch.Im Ernstfall würde mich doch sicher jemand retten, wenn der Rauchmelder losginge?...
Kein Mensch hat Erbarmen mit meiner Müdigkeit. „Das Bad ist frei“, höre ich lieb gemeinte Worte von meinem Mann. Er hat diese Probleme nicht. Wann er aufsteht, kann ich nicht genau sagen, doch er ist lange vor mir fertig. Sitzt entspannt beim Frühstück und hört klassische Musik aus dem Radio. So ein furchtbares rauf und runter von irgendeinem Geiger schmatzt mir schwere Musik zu und bringt mich aus der Fassung. „Stell das Radio aus, mir fallen gleich die Ohren ab.“, motze ich ihn an. Seelenruhig blickt er mich an und zieht die rechte Augenbraue nach oben. Führt den weißen Becher mit der Aufschrift „Kaffeehäfele“ an seine Lippen und schlürft laut einen Schluck. Er will mich ärgern, poppt plötzlich eine Idee in mir hoch. „Wieso weckst du mich nicht früher?“ „Weil du gestern Abend wieder viel zu lange vor dem Computer gesessen hast. Kein Wunder also, dass dein Tee schon kalt ist und ich meine Musik höre.“
Gelangweilt schleiche ich Schritt für Schritt ins Bad. Endlich spüre ich den sanften Flaum des Flockadi. Aha, bin angekommen. Für einen Moment entspanne ich mich. Im nächsten Atemzug tastet mein linker Arm nach dem Lichtschalter vorbei am Regal, neben der Tür. Der Schlafanzugärmel bleibt in diesem Moment am herausstehenden Korb mit Bürsten, Kämmen und Haarspangen hängen. Zeitgleich springt das Licht an und ein Getöse, gleich wie in einem Steinbruch, entleert sich der Korb auf den Fußboden. „Die schönen Fließen, ich glaub jetzt ist eine Macke drin!“, rufe ich zur Tür hinaus. Der Steinboden lässt sich kaum reparieren. Die silberne Spange mit den Perlen ist zerbrochen und liegt in Einzelteilen herum. Was für ein Tag? Auf einmal bin ich wach, hellwach. Schlagartig schaltet mein Gehirn auf „on“. Innerlich trifft die Schallwelle mein Mark. Ein Saussen in meinem linken Ohr hört überhaupt nicht mehr auf. Rasch wasche ich mein Gesicht, vielleicht sollte ich doch duschen. Ich entscheide mich für das Zähneputzen, derweil drückt eine Schnauze die Tür auf und schaut, was sich zugetragen hat. Völlig uninteressiert an meinem Dilemma, verlässt der Hund das Bad und meine Tochter ruft aus ihrem Zimmer: „Mama, du bist laut“.
Für alle, denen es ähnlich geht. Wissenschaftliche Erkenntnisse bestätigen eine frühkindliche Phase nach dem Aufstehen. Alles im grünen Bereich... 
Liebe Grüße
Lilli


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